TV-KOLUMNE „BESSERESSER - SEBASTIAN LEGE PACKT AUS“ - BEIM „SCHLEMMERFILET“ WIRD EIN GESUNDES LEBENSMITTEL UNGESUND

Veggie-Pizza, Baguette und Fisch „à la Bordelaise“ - Produktentwickler Sebastian Lege schaut tief in die Tiefkühltruhe und findet jede Menge Tricks.

„Kein Franzose kennt Schlemmerfilet à la Bordelaise“, ist sich Produktentwickler Sebastian Lege in „Besseresser“ (ZDF-Mediathek) sicher. „Da  könnte man durch den Laden laufen und sich gleich eine Packung Paniermehl reinschütten.“ „Da wird aus einem gesunden Fisch ein ungesundes Lebensmittel gemacht“, sagt noch etwas drastischer Ernährungsforscher Stefan Kabisch. Die, wie Lege sagt, „Scholle Vierkant mit Bröseln drauf“ hat wahrscheinlich fast jeder schon mal auf dem Teller gehabt. Das Schlemmerfilet darf jedenfalls in keiner Discountertruhe fehlen. Der Fisch wird gefangen und noch auf dem Schiff mit viel Wasser zu einem genormten Fischblock verarbeitet. Der Aufbackfisch verliert deshalb im Ofen bis zu 24 Prozent seines Gewichts, ein echter Fisch nur fünf Prozent. Britta Schautz von der Berliner Verbraucherzentrale erklärt: „Es muss nicht einmal gekennzeichnet werden, wie viel Wasser drin ist.“

Gesunder Fisch wird ungesund

Das verkaufte Schlemmerfilet trägt auf der Verpackung das MSC-Siegel für zertifizierten Fischfang. „In Wahrheit müssen aber nur 80 Prozent der MSC-Regeln eingehalten werden, um das Siegel zu erhalten“, erklärt Verbraucherschützer Schautz. „Es gibt auch stärkere Zertifikate.“ Und es gibt noch einen weiteren Trick: Um sich Schlemmerfilet nennen zu dürfen, muss der Inhalt jeder Verpackung mindestens 70 Prozent Seelachs enthalten. Die Firma Frosta senkt den Inhalt auf 56 Prozent, schreibt aber zusätzlich „knusprig und kross“ auf die Verpackung. Das dient als Hinweis auf besonders viel Panade. Beim Lebensmittelhersteller werden die gefrorenen Fischblöcke in kleinen Stücke zersägt, in eine Aluschale gelegt und die Kruste draufgepackt. Die besteht aus Semmelbröseln, Vollei, Stärke, Zwiebelpulver, Pfeffer, Salz, Paprika für die Farbe, Knoblauchpulver, gehackte Zwiebeln, Petersilie, einem Spritzer Zitronensaft und reichlich Öl. Das Ergebnis: Ohne Panade käme das Fischfilet auf 74 Kilokalorien, mit Panade auf 132.

Gesund getrickste Produkte

Seit 50 Jahren liegen in den Tiefkühlregalen Pizzen. Neuester Trend sind Veggie-Pizzen. „Die kommen nachhaltig und fleischlos rüber“, sagt Produktentwickler Sebastian Lege. Etwa die Wagner-Pizza Spinat besitzt einen Nutri-Score-Wert A. Der Trick: Während der Konkurrent Oetker mit nur 7,2 Gramm beigemischtem Eiweiß ein B erzielt, sind es bei Wagner 30 Gramm Eiweiß für das A. Die Hersteller mogeln sich ihre Produkte gesund. „Ich kann als Hersteller gezielt Produkte so verändern, dass ich einen besseren Nutri-Score bekomme“, meint Verbraucherschützerin Schautz. Für mehr Vitalität kommen noch ein paar Weizenkeime dazu und Gerstenmalz-Extrakt, also eigentlich Zucker, färbt den Teig scheinbar gesünder dunkel. „So ein Teig ist keine gesunde Alternative. Er sieht nur dunkler aus, wirkt gesünder, ist es aber nicht“, stellt Ernährungsforscher Kabisch klar.

A heißt nicht automatisch gesund

Die Tomatensauce ist auch nicht besser. Zu den Inhalten zählen viel Stärke, Zucker und Traubenmost. Der Most macht die Sauce etwas süßer und bringt noch ein paar Punkte für den Nutri-Score, weil es sich um Obst handelt. Produktentwickler Lege meint: „Der Käse ist das Einzige, was an der Pizza schmeckt. Und das ist Fett.“ Ein paar grüne Kräuter und andere bunte Zutaten und schon sieht alles vital aus, findet Lege. Beim Blick auf die Kilokalorien stellt sich allerdings Ernüchterung ein. Eine Tiefkühlpizza Salami hat im Schnitt 240 Kilokalorien auf 100 Gramm - eine Veggie-Pizza kommt auf einen ähnlichen Wert. Ernährungsforscher Kabisch erklärt: „Der Nutri-Score wurde designt, um Lebensmittel der gleichen Kategorie zu vergleichen. Auch die Kategorie A ist nicht unbedingt ein gesundes Lebensmittel.“

Stange aus der Backform

Bei Baguette denken die meisten Menschen wohl an Frankreich, Genuss und Tradition. Damit haben belegte Tiefkühlbaguettes aus dem Supermarkt allerdings kaum etwas zu tun. Eher mit Zusatzstoffen, Fließband und Trickserei. Eigentlich ist das maschinelle Baguette für den Ofen dem Croque Monsieur nachempfunden, einer einfachen Variante des französischen Sandwiches mit Käse und Schinken. Aber das kulinarische Problem fängt bereits beim Baguette an. Echtes Baguette besteht aus Sauerteig, der 24 Stunden ruht und eine schöne Kruste ausbildet. Das Industriebrot besteht aus Trockenhefe und viel Öl, damit das Brot nicht im Ofen austrocknet. Auch backt es in kleinen Backformen.

Nur 20 Prozent echter Käse im Schmelzkäse

Hinzu kommt eine Käsezubereitung mit viel Wasser, Zitronensäure und Schmelzsalzen. „Zu viel Phosphat kann dazu führen, dass die Nieren beschädigt werden“, warnt Verbraucherschützerin Schautz. Tatsächlich müssen im Schmelzkäse laut Vorschrift nur 20 Prozent echter Käse enthalten sein. „Man kann durchaus von gestrecktem Käse sprechen“, meint Produktentwickler Lege und probiert etwas davon. „Bah, der schmeckt so künstlich intensiv.“ Vom Schinken sind im Schnitt sogar nur vier Gramm dabei. „Das ist kein knuspriges Baguette, das ist ein Hamburgerbrötchen in Stangenform.“ Und Vorsicht! Ein einziges Baguette hat 240 Kilokalorien und deckt damit ein Achtel des Tagesbedarfs.

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